Dienstag, 24. Juli 2007

Bryan Ferry - Live at Sunset

Ich kann mich dem Bericht vom Zürcher Oberländer nur anschliessen:


Live at Sunset Bryan Ferry liess Applaus und Buh-Rufe im Landesmuseum zurück

Ein Gigolo kommt nicht zurück

Kaum hat das Essen zu schmecken begonnen, wurde schon abserviert: Bryan Ferry hat am Sonntag im Hof des Landesmuseums viele Fans mit ungestilltem Hunger vom Konzert heimgehen lassen.

Christian Dietz-Saluz

«Live at Sunset», das Festival im Hof des Landesmuseums in Zürich ist am Sonntagabend mit einem Konzert von Bryan Ferry zu Ende gegangen. 30 000 Personen besuchten insgesamt die zwölf Konzerte. Zumindest an der Schlussveranstaltung sind nicht alle Zuschauer zufrieden gestellt worden. Das lag zum einen an «Kühlschrank» Bryan Ferry selbst, noch vielmehr aber an einem Missverständnis.
Der 62-jährige Engländer war nie ein Popstar fürs Volk. Gross geworden vor 35 Jahren als Sänger der androgynen Glamrock-Gruppe Roxy Music verkörperte er insbesondere als Solokünstler zwei Images: das des immer modisch gekleideten Dandys und jenes des arroganten Gigolos. Anders gesagt: Der Typ ist aalglatt. Sentimentalitäten flutschen ab, als wäre er mit Teflon beschichtet.

Alle Kanten und Ecken abpoliert

Und so präsentiert sich Ferry auch am Sonntagabend. Künstlerisch brillant, aber unnahbar. Im schwarzen Glitzerjackett steigt er mit dem ersten Stück in seine Urzeit zurück, singt mit sanfter Stimme «The-in-Crowd» aus dem 1974er-Album «Another Time, another Place». Andere Zeit, anderer Ort - ist doch alles einerlei. Das hat programmatische Züge. Der Sänger nimmt nur selten Notiz vom Ort des Geschehens und vom Publikum. Die ihm zu Füssen gelegte rote Rose einer Dame bleibt dort unberührt liegen, bis die Putzequipe kommt.
Mit «Just like Tom Thumb's Blues», dem dritten Lied des Abends, startet Bryan Ferry die Promotion seiner aktuellen CD «Dylanesque». Sieben Stücke wird er daraus singen. Speziell «The Times they are a-changin'», «Knocking on Heavens Door», «All along the Watchtower» und «Positively 4th Street» kommen extrem cool von der Bühne. Alle Ecken und Kanten der Protest- und Antikriegslieder von Bob Dylan sind bei Ferry samtig abgeschliffen. Ein Widerspruch? Sicher. Dennoch wirkt das keineswegs peinlich, sondern typisch für den Gesangsstil des ewigen Beaus.

Keine Wärme aufkommen lassen

Wenn Dylan zornig nuschelt, säuselt Ferry mit gelangweilt tönender Stimme ins Mikrofon. Er will ja nicht imitieren, sondern interpretieren. Das ist eine Gratwanderung, die man akzeptieren muss. Oder man sollte nicht an sein Konzert gehen. Dass der Funke zum Publikum fast nur bei seinen Hits wie «Slave to Love», «Avalon» und «Let's stick together» übersprang, war daher eher in einer übertriebenen nostalgischen Erwartungshaltung der Besucher begründet. Aber auch an der Hauptperson des Abends - die liess nämlich nach jedem Anflug von Mitgerissenheit sofort wieder die Kälte aus dem Kühlschrank.
Am drastischsten fiel dieser Frosteffekt nach dem Lennon-Klassiker «Jealous Guy» aus. Ihm folgte ein langes Instrumental mit Saxofon und Piano im Stil von Chill-out-Musik in einer Hotelbar. Nur keine Gefühle aufkommen lassen. Dazu passt die Performance der zehn Begleitmusikerinnen und -musiker. Alle dunkel gekleidet und stets im Hintergrund - wie schon bei der Produktion der CD «Dylanesque». Nur Oli Thomp-son darf sich einmal als Sologitarrist in Szene setzen, wie das ein Lehrling verdient, der 40 Jahre jünger ist als sein Chef. Chris Spedding hingegen, einer der grossartigsten Gitarristen Englands, strahlt die Anteilnahme eines Totengräbers aus. Er spielt perfekt, weil es sein Job ist, jemanden zu begleiten, der ihn dafür bezahlt.

Schlechter Lohn

Der Jemand heisst Bryan Ferry und verlässt nach 75 Minuten die Bühne. Die rund 2200 Personen im Hof des Landesmuseums rufen nach einer Zugabe. Doch die hat der Meister mit dem einzigen Stück des Konzerts von Roxy Music - «Love is the Drug» - unbemerkt schon gegeben. Dazu muss man doch vorher die Bühne nicht extra verlassen. Ein Gigolo geht schliesslich auch nur einmal zum Schlafzimmer raus. Endgültig. Das hat das Publikum nicht verstanden und verlangt nach mehr - bis es enttäuscht über das versagte Supplement ins Buh-Rufen wechselt. Schlechter Lohn für ein Konzert, das eigentlich brillant war.


© «Der Zürcher Oberländer» / «Anzeiger von Uster»

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